Gähnen bei Pferden: Entspannung oder Stress? Eine Blickschulung
Manchmal sieht es bei meiner Arbeit vielleicht aus, als würde ich einen Exorzismus durchführen – aber keine Sorge, das ist nicht der Fall! Kürzlich hatte ich wieder das Vergnügen, ein paar sehr extrovertierte Pferde zu behandeln. Dabei sind einige spannende Momente entstanden, die perfekt zeigen, wie viel Kommunikation und Beobachtung in meiner Arbeit stecken.
Gähnen – ein Zeichen von Entspannung? Nicht immer!
Auf den ersten Blick könnte man denken: „Oh, das Pferd gähnt – es ist entspannt und lässt los.“ Aber genau das stimmt nicht immer. Gähnen kann auch ein Stresssignal sein. Entscheidend ist der Kontext, in dem es passiert und der Gesamtausdruck des Pferdes.
Ein Beispiel aus der Praxis: Während einer Behandlung war der unten gezeigte Wallach größtenteils entspannt und aufmerksam bei mir. Doch dann kamen Pferdefreunde in die Nebenboxen, verweilten kurz und gingen wieder hinaus. Diese Situation sorgte für Unruhe – nicht extrem, aber doch spürbar. Als Herdentiere reagieren Pferde sehr sensibel auf Veränderungen in ihrer Umgebung.
In diesem Moment kam es zu einer Überlagerung mehrerer Faktoren:
- Physische Entspannung: Durch meine Arbeit begann das Gewebe loszulassen.
- Emotionale Unruhe: Der Wunsch, den Artgenossen zu folgen, wurde durch die Begrenzung des Stricks unterdrückt.
- Stressreaktion: Unsicherheit und Frustration führten zu typischen Stresssignalen wie einem „angespannten Gähnen“.
Wie erkennt man die Unterschiede?
Ein entspanntes Gähnen unterscheidet sich klar von einem Stressgähnen:
- Entspanntes Gähnen: Die Augen sind halb geschlossen, die Gesichtszüge weich, die Ohren entspannt, und das Pferd ist ganz bei sich.
- Stressgähnen: Die Augen sind weit aufgerissen und oft dreieckig geformt, es gibt deutliche Sorgenfalten über den Augen, die Nüstern sind geweitet, und die Aufmerksamkeit ist nach außen gerichtet.
Der Wallach zeigte in diesem Moment Stresssignale, nicht weil meine Arbeit unangenehm war, sondern wegen der äußeren Situation. Es ist wichtig, solche Momente richtig einzuordnen, um Missverständnisse zu vermeiden.
Warum ist diese Unterscheidung wichtig?
Nicht jedes gähnende Pferd ist entspannt oder müde. Indem wir genau hinsehen, können wir lernen, unsere Pferde besser zu verstehen. Wenn ihr mehr über Stresssignale, Beschwichtigungssignale oder auch „Displacement Behaviour“ beim Pferd erfahren möchtet, schreibt mir gern!
Indem wir das Verhalten unserer Pferde besser interpretieren, können wir sie gezielt unterstützen und ihre Gesundheit langfristig fördern.